In die Antworten auf solche bedeutsamen Fragen will der Jugendliche tatkräftig hineinwachsen – es drängt ihn zur selbständigen Auseinandersetzung mit der Welt. Die Schülerinnen und Schüler auf diesem Weg zu fördern und zu begleiten ist das Anliegen des gesamten Oberstufenunterrichts. So gehören die Ausbildung einer tragfähigen Urteilskraft und deren Stärkung zu den zentralen pädagogischen Aufgaben. Entsprechend erweitern regelmäßige außerschulische Praktika das Unterrichtsangebot. Diese ermöglichen es den jungen Menschen, sich in unterschiedliche Zusammenhänge zu stellen, im praktischen Tun selbst zu erfahren und mit der Welt auseinanderzusetzen.
Die Inhalte der Praktika sind abgestimmt auf das Entwicklungsbedürfnis der jeweiligen Altersstufe und bilden daher die Urteilskompetenzen auch in einer Stufenfolge aus.
Das erste Praktikum unserer Schule ist das Forstpraktikum. Die Schülerinnen und Schüler sollen damit durch die praktische Tätigkeit einen Einblick in Naturzusammenhänge bekommen, Verständnis für die Bedeutung des Waldes, der Tierwelt, klimatischen Zusammenhänge u. a. entwickeln und durch eigene Tätigkeit ein Bewusstsein auf die vielfältigen Elemente des Lebensbereiches Wald lenken. Auch ein erster Einblick in die Arbeitswelt sollen sie durch dieses Praktikum erhalten. Es finden in der 6./7. oder 7/ 8. Klasse statt und wird im Klassenverband (ähnlich wie eine Klassenfahrt) organisiert und durchgeführt.
In der 9. Klasse, wenn die seelische Pubertät an den Jugendlichen rüttelt, gibt das Landwirtschaftspraktikum (praktische Kompetenz) festen Boden unter den Füßen: die meist drei- bis vierwöchige Mitarbeit auf einem biologisch-dynamischen Bauernhof fordert den ganzen Menschen und lässt die Schüler eindringlich erleben, wie mühevoll unsere tägliche Nahrung erarbeitet ist. Sie übernehmen eigenständig einen Aufgabenbereich, z.B. in der Tierversorgung oder in den Vorgängen rund um Ernte und Vermarktung. Dabei erlernen sie nicht nur einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur, sondern sie finden auch wie von selber zu einem pflichtbewussten Tun, denn Tiere oder reife Feldfrüchte warten nicht…..! Viele kehren gekräftigt und frisch motiviert nach Hause zurück.
Im Feldmesspraktikum (theoretische Kompetenz) in der 10. Klasse werden die zuvor im Mathematikunterricht erarbeiteten Gesetzmäßigkeiten der Trigonometrie praktisch angewendet. Ein Gelände wird mittels hochempfindlicher Messgeräte nach allen Regeln der Kunst vermessen und anschließend kartographiert. Hier werden vor allem Genauigkeit, Geduld und Teamfähigkeit abverlangt, um am Ende zu brauchbaren Karten zu kommen. Unausweichlich offenbaren sich alle Ungenauigkeiten auf dem Papier und fordern Berichtigung: nicht der Lehrer, sondern eine objektive Gesetzmäßigkeit korrigiert! Dabei erfährt der Zehntklässler, dem die Welt widersprüchlich und oft genug wie ohne Zusammenhang erscheint, dass er selber zuverlässige Orientierung gewinnen kann.
In der 11. Klasse entwickeln die Schüler im Besonderen ihre seelischen Kräfte. Weltempfinden und tiefe Einfühlung in den Mitmenschen werden nun möglich. Das Sozialpraktikum (seelische Kompetenz) arbeitet mit diesen frei werdenden Qualitäten. Über einige Wochen übernehmen die Jugendlichen Aufgaben in einer sozialen Einrichtung und begleiten zum Beispiel Menschen mit Behinderungen in deren Lebensalltag. Dabei lassen sich die Schüler auf völlig neue Situationen ein, in denen neben einem wachen Verantwortungsbewusstsein auch die Fähigkeit, die eigenen Interessen zugunsten anderer zurückzustellen, ausgebildet wird. In diesem Praktikum leisten die Schüler nicht nur einen sozialen Beitrag innerhalb unserer Gesellschaft, sondern erfahren auch, wie bedeutsam sich diese Hinwendung im Leben anderer Menschen auswirkt. Sie erkennen sich als Teil eines sozialen Ganzen und entwickeln so zunehmend mehr Bewusstsein für soziale Prozesse.
Ergänzend kann ein Betriebspraktikum (individuelle Kompetenz) angeboten werden, das Einblicke in die moderne Arbeitswelt vermitteln soll. Die Schüler suchen sich selbständig einen Praktikumsplatz, schreiben zunächst Bewerbungen und erleben Vorstellungsgespräche. Einige Wochen lang erproben sie sich dann auf kaufmännischen, handwerklichen oder industriellen Arbeitsfeldern und sammeln dabei ihre ganz persönlichen Erfahrungen. Erste Berufswünsche können so ganz anfänglich Gestalt annehmen oder korrigiert werden.
In jedem Schuljahr öffnet sich also das Klassenzimmer und wird in besonderem Maße „welthaltig“. Den Schülern ergeben sich neue Blickwinkel und Fragestellungen, die bereichernd in den Unterricht einfließen.